Mona Grundmann ist die Betreuerin des Naturschutzgebiets, das ausgesprochen Düffel, Kellener Altrhein und Flussmarschen heißt. Sie erzählt uns, was ihr Herz aufgehen lässt, aber auch was ihr große Sorgen macht.
Was macht die Düffel für dich besonders?
Ich finde, die Düffel ist wirklich eine einzigartige Wiesenlandschaft. Es gibt diese Weite, die Hälfte des Blickfelds besteht aus Himmel und die andere aus grüner Kulturlandschaft. Hier gibt es Wiesen, Weiden, Gewässer, Hecken und Alleen. Dazu gesellt sich eine außergewöhnliche Tierwelt, die es an einigen Hotspots noch gibt.
Im Frühjahr suche ich im kurzen Gras Wiesenvogelnester mit ihren vier Eiern, um sie zu schützen. Dann fliegen die Kiebitze Sturzflugmanöver über die noch kahlen Felder und Wiesen. Die Rotschenkel nutzen den Ausblick auf dem Solarmodul unserer Wasserpumpe. Und die Königin der Wiesen, die Uferschnepfe, thront in der Wiese und lugt immer nur kurz aus dem Versteck hoch, ob noch alles sicher ist.
Wenn die Brutsaison vorbei ist, finden sich oft große Gruppen von Störchen auf abgeernteten Wiesen und bilden einen besonderen Anblick. Auch Schwalben und Stare fliegen dann in großen Gruppen umher und so erkennt jeder Besucher gleich: Hier ist Vogelschutzgebiet!
Im Herbst und Frühwinter finden sich hier zum Überwintern die arktischen Wildgänse in großen Schwärmen ein – ein faszinierendes Naturschauspiel mit ordentlicher Geräuschkulisse. Den gesamten Winter über gibt es eigentlich immer etwas zu entdecken, seltene Vogelarten, von Raureif überzogene Pflanzen oder große Wasserflächen, wo sonst Feldfrüchte wachsen.
Mich persönlich beeindrucken außerdem auch immer wieder der Sonnenaufgang im Nebel über dem Wiesenland, dazu die Gesänge der Vögel und mit Tau benetztes Gras. Dann bin ich in meinem Element.
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Mehr InformationenWarum genau ist die Düffel ein Naturschutzgebiet?
Unter Schutz gestellt wurde das Gebiet wegen der arktischen Wildgänse und der reichen Brutvogelwelt, der besonderen Schönheit der Kulturlandschaft und der durch den Rhein geschaffenen Eigenarten in der Landschaft, wie Kolke, Altarme und Flussmarschen.
Die Düffel wurde vom Rhein geschaffen und vom Menschen überformt, die Strukturen, wie alte Flutrinnen zum Beispiel sieht man noch heute. Diese Strukturen schaffen Lebensräume, die eine Besonderheit und heutzutage auch eine Seltenheit darstellen. Der Mensch deichte einst diese Landschaft ein, um sich zu schützen. Daher prägen Gräben und Höfe, die „auf dem Poll“ stehen, das heutige Landschaftsbild. Dazu wurden Hecken zur Abgrenzung und für das Vieh als Wind- und Sonnenschutz genutzt. Kopfweiden waren früher der Rohstoff für Zäune, Körbe, Brennholz und auch Viehfutter. All diese Elemente findet man noch heute in dieser schönen Gegend.
Die bäuerliche Kulturlandschaft mit ihren Feuchtwiesen ist im Winter die Heimat der Wildgänse aus dem hohen Norden und im Frühjahr und Sommer die der bodenbrütenden Wiesenwatvögel, wie Kiebitz, Rotschenkel, Uferschnepfe und Großer Brachvogel. Gemeinsam mit der Hetter ist die Düffel das einzige Gebiet in Nordrhein-Westfalen, in dem diese vier Arten noch gemeinsam brüten. Schon allein das macht den enormen Wert des Gebiets aus.
Wichtig zu wissen: Diese Vögel sind auch Indikatorarten. Das heißt, wenn es ihnen gut geht, dann haben wir nicht nur diese vier Arten, sondern den ganzen Lebensraum Feuchtwiese mit seltenen Pflanzen wie Kuckuckslichtnelke oder Wiesenschaumkraut gemeinsam mit Schmetterlingen und anderen Insekten oder Spinnen – und genauso auch die ganzen Bodenlebewesen geschützt. Neben den Wildgänsen und den Wiesenvögeln wurden auch eine ganze Reihe weiterer Brut- und Zugvögel unter Schutz gestellt. Dies betrifft vor allem weniger prominente Arten, wie Enten, Taucher, Seeschwalben, Säger und einige Singvogelarten, wie zum Beispiel Wiesenpieper und Schwarzkehlchen.
Warum sind die Lebensräume so wertvoll?
Die Düffel ist ein großes zusammenhängendes Grünlandgebiet und wird daher auch oft „Wiesenland“ genannt. Das trifft es auch sehr gut und macht deutlich, warum es so besonders ist: Überall im Umland und auch überregional gesehen herrscht nämlich Ackernutzung vor. In der Düffel dagegen gibt es viele landwirtschaftliche Betriebe, die Milchvieh halten und so das Gras optimal nutzen können. Pflanzen und Tiere, deren Lebensräume anderswo in einem hohen Tempo vernichtet werden, haben hier noch einen Rückzugsort. Das sind etwa die Wiesengerste, die Ufer-Segge, die Sumpf-Sternmiere oder der Wiesenkümmel genauso wie der Hauhechel-Bläuling, die Sumpfschrecke oder das Schwarzkehlchen, der Wiesenpieper und die Feldlerche. Außerdem gibt es hier ein sehr mildes Klima.
Als Rastgebiet für die arktischen Wildgänse ist die Gegend so wichtig, weil es ein großes, in weiten Teilen ruhiges, ungestörtes Gebiet ist. Die scheuen Tiere finden hier sowohl genug Nahrung als auch die Ruhe, um für den Zug zurück in die Brutgebiete und die anschließende Aufzucht ihrer Jungen fit zu sein.
Wir arbeiten hier übrigens nicht nur daran, dass im Frühjahr und Frühsommer die Gebiete zu den Bedürfnissen der Brutvögel passen. Wir haben unter anderem auch Schwärme von Schwalben, Staren, verschiedenen Finkenarten und Störchen, die auf dem Vogelzug zwischen Brut- und Winterquartieren hier eine Pause einlegen. Weiterhin ist das Wiesenland reich an Mäusen, weshalb hier größere Anzahlen von Mäusebussarden, Turmfalken, Grau- und Silberreihern überwintern.
Wie ist der derzeitige Zustand der Düffel?
Leider muss ich sagen, dass das Gebiet sich in einem kritischen Zustand befindet, aber zumindest ist es auch nicht ganz hoffnungslos. Leider sind einige Arten schon ausgestorben, aber immerhin sind noch einige seltene und gefährdete Arten hier zu finden.
Es ist so, dass der größte Teil der Düffel durch die aktuell immer intensiver werdende Landwirtschaft gefährdet ist. Derzeit sind nur 7,5 Prozent der Düffel für den Naturschutz gesichert. Der Rest des Naturschutzgebiets wird konventionell bewirtschaftet. Das ist entsprechend der Naturschutzverordnung möglich. Hintergrund ist, dass die Flächen vor allem wegen der rastenden Gänse als Naturschutzgebiet ausgewiesen wurden, zu einem Zeitpunkt als die Bestände etwa der Feld- und Wiesenvögel noch nicht so dramatisch abgestürzt sind.
Es wäre definitiv notwendig, dass diese Schutzbestimmungen aktualisiert werden, damit wir wirksam die einzigartige Natur hier erhalten können. Aber dann muss auch die gesellschaftliche relevante Dienstleistung „Naturschutz“ für Landwirte auch über öffentliche Gelder finanziell attraktiv gestaltet werden. Das ist eine wichtige Forderung von uns, damit auf allen ökologisch wertvollen Flächen Maßnahmen umgesetzt werden können.
Momentan ist es so, dass selbst Herbizide und Insektizide hier noch eingebracht werden dürfen und so den Pflanzen und Tieren schaden. Ein großes Problem im Feuchtgebiet sind die immer häufiger vorkommenden Dürren. Der sinkende Grundwasserstand verschärft die Situation zusehends. Dadurch werden feuchte Stellen in den Wiesen auch für schwere Traktoren passierbar und damit verschwindet einerseits Lebensraum für feuchteliebende Pflanzen und Tierarten. Zum anderen wird auch das Land um diese verschwindenden Kleingewässer entwertet, da Wasser in diesen althergekommenen Feuchtgebieten auch in der Fläche für Artenvielfalt sorgt. Wenn die Lebewesen hier kein Wasser mehr finden, dann verlieren wir sie.
Dazu kommt, dass alte Kulturlandschaftselemente wie Kopfbäume und Hecken oder auch Obstbäume nicht mehr richtig gepflegt werden. Dadurch überaltern und sterben viele Bäume einfach, werden nicht mehr ersetzt und so geht wieder ein besonderer Lebensraum verloren. Nicht zu verachten ist auch die Wirkung von zum Beispiel Kopfbäumen oder Hecken auf das Landschaftsbild, welches sich innerhalb der letzten drei Jahrzehnte ebenfalls gewandelt hat. Dadurch, dass viele Kühe heutzutage im Stall stehen und nicht mehr auf den Wiesen weiden, wuchern noch vorhandene Teiche und Kolke zu, weil die Huftritte und Fraß der Tiere fehlen, um sie offen zu halten.
Ich sehe aber auch, dass wir mit unseren Maßnahmen im Wiesenvogelschutz im LIFE-Projekt „Grünland für Wiesenvögel“ jetzt gut vorankommen und dass unsere Pächter gute Arbeit leisten. Bei manchen Arten und Biotopen konnten wir schon große Erfolge erzielen, der Storch beispielsweise hat mittlerweile eine stabile Populationsgröße erreicht. Ich wünsche mir, dass das langfristig auch für andere Arten und Lebensräume klappt und das Pendel wieder in Richtung mehr Natur umschlägt.
Was genau machen wir dort?
Um das Gebiet weiterzuentwickeln, müsste der Wasserstand im Gebiet wieder auf das ursprüngliche Niveau angehoben werden. Das ist der einzige Weg, um ein Feuchtgebiet effektiv zu schützen. Da ein hoher Wasserstand für die Landwirte nicht attraktiv ist, weil die Bewirtschaftung erst später möglich ist, kaufen wir etwa im LIFE-Projekt in bestimmten besonders geeigneten Bereichen Flächen an. So können wir langfristig kleine Teile des Gebiets für den Naturschutz bewahren.
Dazu untersuchen wir die Bestände von Indikatorarten im Gebiet regelmäßig, um den Zustand des Gebiets bewerten und bei Bedarf gegensteuern zu können. Wir führen jedes Jahr vielfältige Naturschutzarbeiten in der Düffel durch, das sind Maßnahmen wie Biotoppflege, Heckenpflege, Kopfbaumpflege. Wir stellen auch Schutzzäune auf Flächen mit Bodenbrütern auf, suchen Nester von Wiesenvögeln und markieren sie. Auch Landschaftspflege mit Schafen organisieren wir.
Die Kernzonen umfassen etwa knapp fünf Prozent der Fläche des Naturschutzgebiets, wo vom Aussterben bedrohte Arten noch zu Hause sind. Das ist aus Naturschutzsicht natürlich zu wenig, aber trotzdem sehr wichtig, damit diese Arten überhaupt eine Überlebenschance haben.
Kann man die Düffel betreten oder besichtigen?
In der Düffel gibt es viele landwirtschaftliche Wege, die geteert sind und auf denen man wunderbar Radfahren kann. Auch Spaziergänge kann man machen, jedoch enden vor allem die Feldwege oft in Sackgassen. Dazu sind die Strecken in der Düffel oft recht lang, daher eignet sich die Fiets, also das Fahrrad, wie es hier genannt wird, eigentlich am besten für Erkundungstouren. Da besonders die schönen Wege für den Autoverkehr gesperrt sind, lässt man den Wagen am besten in einer der Ortschaften stehen. Hunde sind willkommen, jedoch nur an der Leine. Es gibt unterwegs Bänke zum Verweilen und Ausruhen.
Wer die Düffel näher kennenlernen will, kann im Winterhalbjahr zu unseren Gänsesafaris kommen. Da erfährt man nicht nur etwas über die faszinierenden Vögel, sondern auch über die Kulturlandschaft, ihre Geschichte und auch warum Häuser und Höfe „auf dem Poll“ stehen.
Was wünschst du dir für die Zukunft für die Düffel?
Ich wünsche mir, dass wir als Gesellschaft die einzigartigen Tiere, Pflanzen und Lebensräume in der Düffel erhalten können und die Bestände der bedrohten Lebewesen auf ein überlebensfähiges Niveau ansteigen. Wir befinden uns, was die Biodiversität angeht, am Rande des Abgrunds oder sind bereits im freien Fall. Daher wünsche ich mir, dass wir alle an einem Strang ziehen und uns unsere Lebensgrundlagen erhalten.
Denn das können sich alle klar machen: Das hier sind schon die letzten Rückzugsräume und sie befinden sich nicht im besten Zustand. Außerhalb der Naturschutzgebiete ist es noch dramatischer. Uferschnepfen, große Brachvögel oder Rotschenkel etwa gibt es dort nicht mehr. Die Bekassine ist lange ausgestorben, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Schutzgebiets. Deshalb wäre es toll und superwichtig, wenn wir es schaffen würden, dass es wieder die ursprünglichen großen Bestände von diesen tollen Vögeln geben würde – ein echter Wunschtraum von mir.
Lage: Im Nordkreis Kleve, linksrheinisch, zwischen Kleve im Osten, Kranenburg, Nütterden und Donsbrüggen im Süden und dem Rhein, Keeken und Bimmen im Norden
Größe: 3.800 Hektar auf deutscher Seite, etwa 300 Hektar werden betreut, grenzüberschreitend umfasst das Gebiet eine Fläche von über 10.000 Hektar
Schutzstatus: Naturschutzgebiet, Teil des VSG Unterer Niederrhein, Teilflächen sind FFH-Gebiete, Jahr der Ausweisung als Naturschutzgebiet: 1987
Landschaft und Naturraum: Ehemalige Auenlandschaft, eingedeichte Flussmarschenlandschaft, heute weitläufige Kulturlandschaft mit Hecken, Feldgehölzen und Feuchtwiesen sowie kleineren Stillgewässern, Gräben und Wässerungen, umfasst auch den Kellener Altrhein und Außendeichbereiche östlich von Salmorth; hoher Grünlandanteil, größtenteils intensive Bewirtschaftung; hoher Artenreichtum, insbesondere bei Vogelarten
Einige geschützte Pflanzenarten im Gebiet: Fischkraut, Ufer-Segge, Blasen-Segge, Fuchs-Segge, Wiesen-Kümmel, Wiesen-Gerste, Gewöhnlicher Krähenfuß, Mäuseschwänzchen, Echter Kreuzdorn, Sumpf-Sternmiere
Einige geschützte Tierarten im Gebiet: Blässgans, Saatgans, Bekassine, Waldwasserläufer, Nonnengans, Rohrweihe, Knäkente, Uferschnepfe, Großer Brachvogel, Kiebitz, Rotschenkel, Flussregenpfeifer, Wiesenpieper, Feldlerche, Nachtigall, Blaukehlchen, Schwarzkehlchen, Wachtelkönig, Steinkauz, Trauerseeschwalbe, Teichrohrsänger, Löffelente, Weißstorch, Sumpfschrecke, Biber
Ansprechperson: Mona Grundmann, Hannah Carlsen (stv.) und Ilka Fingerhut (stv.)
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