Für viele Menschen gilt der Wald als Natur schlechthin. Dem ist aber keineswegs so. In allen Wäldern Deutschlands ist der Einfluss des Menschen zu sehen, ganz deutlich auch hier am Niederrhein. Wald ist hierzulande immer auch Kulturlandschaft und Wirtschaftsfaktor. Nutzung und Naturschutz gut zu vereinbaren, ist für uns ein wichtiges Anliegen.
Im Klever Tiergartenwald gibt es gute Beispiele, wie das funktioniert: Bäume werden nur einzeln gefällt, die Nachbarn bleiben stehen, obwohl sie im forstlichen Sinne schon geschlagen werden könnten. Ebenso verbleiben etliche Bäume im Wald, die ganz oder halb abgestorben sind, weil diese einen wertvollen Lebensraum darstellen. Denn auf Totholz leben mehr Tiere als auf lebenden Bäumen. Gesunde Bäume können sich nämlich meist noch gut gegen Käfer und andere Arten schützen.
Perspektiven des Naturschutzes beitragen
Aus Sicht des Naturschutzes ist es wichtig, dass im Wald ein Netz aus großen, ungenutzten Waldstücken entsteht, das mit kleineren und selbst kleinsten Totholzinseln verdichtet wird. Dabei sind die wirtschaftlich weniger bedeutenden Bäume diejenigen, die für Insekten und Vögel besonders interessant sind: Krumme Bäume, Zwiesel oder verwundete Bäume bieten Käfern und Moosen besonders vielfältigen Lebensraum. Davon profitieren dann wiederum Vögel und andere Waldbewohner. Im Reichswald wurden zwar einige kleine Wildnisgebiete angelegt. Deren Abstand untereinander oder zu den niederländischen Naturwäldern ist allerdings so groß, dass dieser für viele typische Arten naturnaher Wälder nicht zu überbrücken ist.
Ein großes, von unseren Vorfahren geerbtes Problem sind weite Nadelholzlandschaften, die frei sind von naturnahen Lebensräumen und den meisten typischen Waldarten. Erst nach vielen Katastrophen wie große Baumverluste bei Stürmen und durch heftigen Borkenkäferbefall setzte sich wenigstens die Erkenntnis durch, dass nur Mischwälder einen stabilen und nachhaltigen Waldbau gewähren können.
Auch im Klever Reichswald ist das so: Vor allem der Süden und Osten des Reichswaldes besteht aus Nadelbäumen aus der Zeit nach dem Krieg. Einige Gegenden sehen noch sehr einförmig aus, andere Teile konnten in Mischwälder umgeformt werden. In den letzten Jahren haben verschiedene Stürme und die Trockenheit, begleitet von massenhaften Borkenkäfern diese Nadelholzforste stark dezimiert. Das zeigt, dass nie wieder naturferne, monotone Waldbestände begründet werden dürfen – sie wären ein schweres Erbe für die nächsten Menschengenerationen. Das gilt insbesondere auch für die Zeiten der Klimakrise mit ihrer Trockenheit.
Es gibt aber auch Teile des Reichswalds, die einen guten Eindruck vermitteln, wie wohl die ursprünglichen Wälder hier ausgesehen haben: Die nicht bewirtschafteten Buchenwälder im Naturschutzgebiet Geldenberg. In den naturnahen Beständen rund um den Geldenberg selbst und hinter dem großen Ehrenfriedhof konnten Käferexperten mehrere hundert Käferarten finden, etwa ein Viertel der Käferarten NRWs. Allerdings leiden auch die Buchen als Flachwurzler unter der Trockenheit der letzten Jahre. Vermutlich wird sich die Baumartenmischung vor allem auf den sandigeren Kuppen in Richtung Eiche verschieben.
Noch einmal ein komplett anderes Waldbild zeigt sich am südlichen Waldrand, westlich der Straße Bundesstraße 504: Auf den sehr armen Sandböden wurden großflächig einförmige Kiefern-Bestände angepflanzt. Aber am unmittelbaren Waldrand und in einigen Lücken im Wald hat sich Heidevegetation eingestellt. Zusammen mit Trockengebüsch und Sandmagerrasen stellt dies einen wichtigen Lebensraum für fünf Reptilienarten dar. Das sind: Ringel- und Schlingnatter, Zaun- und Waldeidechse und schließlich die Blindschleiche.
Eine große Herausforderung: die Klimakrise mit ihrer Trockenheit
Durch die lange Lebenszeit von Bäumen ist die Zukunft des Waldes weit weniger gewiss als jemals zuvor. Ein Bäumchen, das heute am Niederrhein keimt, muss in einigen Jahrzehnten mit deutlich wärmeren Klima zurechtkommen, in hundert Jahren vielleicht schon in einem Klima, das dem der Mittelmeerregion ähnelt.
Umso wichtiger ist, dass wir auf Mischwälder setzen, die im Wesentlichen aus heimischen Bäumen bestehen. Nur diese ermöglichen eine hohe Artenzahl im Wald und viele ökologische Regelkreisläufe, die den Wald gegen äußere Einflüsse stabilisieren. Totholz und altersmäßige Durchmischung der Bestände sorgen weiter für eine Stabilisierung.
Außerdem ist es essentiell, den Wald vor Schadstoffeinträgen zu schützen. Im ganzen Rheinland und dem westlichen Münsterland sind die Wälder großen Einträgen von Ammoniak aus der Tierhaltung und in Ballungsräumen zusätzlich Stickoxiden aus dem Autoverkehr ausgesetzt. Beide Schadstoffe bewirken eine Versauerung des Bodens und schädigen damit die Nährstoffbalance.
Außerdem bewirkt diese Stickstoffdüngung eine Schädigung der Pilze im Waldboden. Die Bäume sind aber für ihre Wasser- und Nährstoffversorgung dringend auf Pilze als Symbionten angewiesen: Die Pilzfäden im Boden verwachsen mit den Baumwurzeln und nehmen sehr viel effizienter als diese Wasser und Nährstoffe auf, mit denen sie auch den Baum versorgen. Im Gegenzug erhalten sie von Baum Zucker aus der Photosynthese in den grünen Blättern der Baumkronen.
Mehr Artenvielfalt durch menschlichen Einfluss
Übrigens ist der Einfluss des Menschen auf die Waldlandschaften auch positiv. Zahlreiche Kulturrelikte, also Überreste tragen zur Artenvielfalt bei. Das sind etwa Baumreihen, Wallhecken, künstliche Gewässer oder Niederwaldreste. Diese sind im Wald oft besser erhalten als im Offenland, also auf Wiesen oder Weiden. Selbst Waldwege können bei entsprechender Gestaltung zu einem wichtigen Lebensraum Halbschatten liebender Schmetterlinge werden.
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