Klimawandel als Aufgabengebiet der Biologischen Stationen

Der Arbeitskreis Botanik der Biologischen Stationen hat ein Positionspapier zum Klimawandel entwickelt. Darin weist der Arbeitskreis auf Probleme und neue Aufgabenfelder hin, die durch den Klimawandel in der Schutzgebietsarbeit entstehen und zeigt Handlungsfelder auf, um ein erfolgreiches Gebietsmanagement auch in Zukunft zu ermöglichen.

Zum besseren Verständnis des Positionspapiers erklären wir einzelne Inhalte und Begriffe in extra Textfeldern wie diesem hier.

Positionspapier

Hintergrund

Die Folgen des Klimawandels hinterlassen deutliche Spuren in der Landschaft und damit auch in den Naturschutz- und FFH-Gebieten von NRW. Dies stellt die naturschutzfachliche Arbeit der Biologischen Stationen insbesondere in den Schutzgebieten vor große multidisziplinäre Herausforderungen.

Beobachtungen der letzten Jahre zeigen einen deutlichen Flächenverlust und Arealverschiebungen schützenswerter Biotope und Arten sowie tiefgreifende Veränderungen der lebensraumtypischen Artgefüge, z.B. durch Veränderungen im Wasserhaushalt, Extremwetterlagen mit Dürren und Starkregenereignissen.

Zudem führt ein mangelhafter, großräumiger Biotopverbund zu einer massiven Verschlechterung der Lebensräume und Populationen. Das vermehrte Auftreten von invasiv in Erscheinung tretenden Neobiota verschärft die Situation zusätzlich.

Als Biotop bezeichnen wir in der Fachsprache einen Lebensraum mit einem Zusammenschluss von Arten, die von ähnlichen Bedingungen abhängig sind. Diese Arten beeinflussen sich gegenseitig und bilden damit ein Artgefüge. Bsp: Eine Feuchtwiese ist ein Biotop, in dem feuchteliebende Arten wie die Kuckucks-Lichtnelke leben. Wird das Klima immer trockener und wärmer, wird die Feuchtwiese kleiner und verschwindet mit der Zeit sogar eventuell ganz.

Großflächig betrachtet kommt es durch den Klimawandel zu Arealverschiebungen von Biotopen und ihren Tier- und Pflanzenarten: Die feuchteren und kühleren Lebensräume wandern Richtung Norden oder höher in die Gebirge, während von Süden her und im Tiefland die Biotope immer trockener und wärmer werden. Doch nicht alle Arten können sich schnell genug anpassen und neue Gebiete als Lebensraum erschließen. Diese sterben regional aus.

Was bedeutet Biotopverbund? Durch die Zersiedelung der Landschaft sind diese einzelnen Biotope oft voneinander abgeschnitten und die Arten können sich z.B. nicht mehr von einer Feuchtwiese auf eine andere ausbreiten. Indem wir Biotope wieder miteinander verbinden, fördern wir Ausbreitung und genetischen Austausch der Arten. Dies kann überlebenswichtig für einzelne Populationen sein.

Was sind invasive Neobiota? Als Neobiota bezeichnen wir Lebewesen, die nicht ursprünglich in unserer Region vorkommen, jedoch durch Einfluss der Menschen eingeschleppt wurden. Als Stichjahr wird die „Entdeckung“ Amerikas 1492 herangezogen. Richten diese Pflanzen oder Tiere Schaden an, indem sie z.B. heimische Arten verdrängen, bezeichnen wir sie als invasiv.

Die Biologischen Stationen in NRW betreuen seit über 30 Jahren Schutzgebiete und den Vertragsnaturschutz. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nehmen Veränderungen in Natur und Landschaft unmittelbar und sehr früh wahr. Die Biologischen Stationen leisten durch ihr Gebietsmanagement vor Ort essenzielle Arbeit, um die Folgen des Klimawandels für die Natur auf lokaler Ebene zu verringern – in erster Linie durch Verbesserung der Resilienz von Lebensräumen und Arten. Durch den Klimawandel entstehen neue Aufgabenfelder und Problemstellungen, die eine große Herausforderung für ein erfolgreiches Gebietsmanagement darstellen.

Resilienz  ist ein anderes Wort für Widerstandsfähigkeit: Wir arbeiten daran, Schutzgebiete widerstandsfähiger gegen die Folgen des Klimawandels zu machen.

Gebietsmanagement braucht Unterstützung

Aus den vorgenannten Ausführungen und aus den Erfahrungen und Gebietskenntnissen der Biologischen Stationen ergeben sich folgende Handlungsfelder:

  1. Fachliche und rechtliche Rahmenbedingungen:
  • Gezielte Rückhaltung von Niederschlagswasser und Erhöhung des Grundwasserspiegels statt der bisherigen einseitigen Priorisierung der schnellen Ableitung von Wasser.
  • Festlegung von Fachkonventionen zur aktiven Verbreitung gefährdeter Arten und zur Stützung von Reliktpopulationen

In der Vergangenheit wurde Wasser möglichst schnell aus Flächen abgeleitet, um diese besser landwirtschaftlich nutzen zu können und Siedlungen vor Überflutungen zu schützen. Heute ist zu wenig Wasser ein deutlich größeres Problem als zu viel Wasser. Gerade in Feuchtgebieten zählt die steigende Trockenheit zu den größten Gefährdungsursachen für Arten. Deswegen müssen wir so viel Wasser wie möglich in den Schutzgebieten halten. Dies gelingt z.B. durch das Verschließen von Gräben.

Als Reliktpopulationen bezeichnen wir Populationen einer Art, die von weiteren Populationen ihrer Art abgeschnitten sind, sodass kein genetischer Austausch mehr stattfinden kann. Hierbei handelt es sich meist um Überbleibsel einst großer Populationen, deren Lebensraum durch menschlichen Einfluss verschwunden ist, bis nur noch wenige Individuen der Art auf einem begrenzten Gebiet überlebt haben. Diese Restvorkommen können wir unterstützen, indem z.B. zusätzliche Individuen auf geeigneten Flächen angesiedelt werden. Um die Durchführung solcher Maßnahmen zu erleichtern und zu koordinieren, sollten durch ExpertInnen Richtlinien festgelegt werden.

  • Überarbeitung des Biodiversitätskonzeptes des Landes auch mit dem Ziel die Problematik der invasiven Neobiota zu berücksichtigen, verbunden mit der finanziellen Ausstattung zur Umsetzung der Biodiversitätsstrategie.
  • Landesweite Flexibilisierung und Anpassungen von Bewirtschaftungszeitpunkten in Abhängigkeit vom Witterungsverlauf des Jahres

Deutschland verpflichtete sich 1992 mit dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt der Vereinten Nationen, die biologischen Vielfalt zu erhalten. 2007 wurde hierfür die Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt festgelegt. Sie enthält Ziele und Maßnahmen zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der Natur in Deutschland. Das Land NRW verabschiedete 2015 ergänzend die Biodiversitätsstrategie NRW, um die Ziele der Nationalen Strategie für die Verhältnisse in NRW zu konkretisieren. Die Biodiversitätsstrategie NRW stellt ein wichtiges Handlungsfeld der Landesregierung dar. Sie wird in Fachplanungen wie der Land-, Forst- und Wasserwirtschaft angewendet, aber z.B. auch in Bildung und Wissenschaft berücksichtigt.

Durch zu frühe Mahd von Wiesen können Pflanzen nicht zur Blüte kommen oder ihre Samen nicht verbreiten. Deswegen wurde in der Vergangenheit festgelegt, dass Naturschutzflächen erst ab Mitte Juni gemäht werden dürfen. Die Natur hält sich jedoch nicht an Kalender. In besonders warmen Jahren wachsen die Wiesen möglicherweise schneller auf und eine frühere Mahd wäre angebracht. Deswegen ist es sinnvoller, wenn die Schutzgebietsbetreuenden den Mahdzeitpunkt individuell festlegen können.

  • Änderung des Landesforstgesetzes mit dem Ziel, dass die Ersatzaufforstungspflicht bei Entbuschung schutzwürdiger FFH-Lebensraumtypen des Offenlandes sowie der Umwandlung (oder Rodung) von Wald/Forstflächen auf Standorten ehemaliger und potenzieller Offenlandbiotope (gilt insbesondere für FFH-Lebensraumtypen der Moore, Binnendünen und Heiden sowie § 30-/§ 42-Biotope) entfällt.
  • Erarbeitung einer landesweit abgestimmten Liste klimasensibler Arten- und Lebensräume als Grundlage für ein Monitoring zur Wechselbeziehung von Klimawandel und Biodiversitätskrise. Hiermit verbunden sollte der Abgleich mit historischen Kartierdaten zur Feststellung der Veränderungen erfolgen.
  • Berücksichtigung des Klimawandels bei der Auswahl und Festlegung von Ausgleich und Ersatz in der Eingriffsregelung.

Wird in Deutschland Wald gerodet, muss dieser an derselben oder einer anderen Stelle wieder aufgeforstet werden. Das ist sinnvoll, um unseren Wald zu schützen. Jedoch gibt es besonders wertvolle waldfreie Flächen, die durch Aufwuchs von Bäumen und Sträuchern verschwinden. Wurde in der Vergangenheit der Aufwuchs nicht regelmäßig entfernt, kann es vorkommen, dass die Fläche statt z.B. als Heidegebiet nach offizieller Definition als Wald eingestuft wird. Werden die Bäume dann entfernt, greift die Regelung, dass der Wald wiederaufgeforstet werden muss, obwohl das Entfernen der Bäume aus naturschutzfachlicher Sicht sinnvoll ist. Diese Problematik sollte durch eine Ausnahme im Gesetz aufgelöst werden.

Wenn ein Eingriff in die Natur durch z.B. ein Bauvorhaben nicht vermieden werden kann, müssen die zerstörten Flächen laut deutschem Gesetz („Eingriffsregelung„) an anderer Stelle ausgeglichen bzw. ersetzt werden. Wird z.B. eine Feuchtwiese überbaut, muss i.d.R. woanders eine Fläche zu einer Feuchtwiese entwickelt werden. Hierbei sollten Veränderungen durch Klimawandel berücksichtigt werden, damit die neu angelegte Fläche z.B. nicht sofort wieder austrocknet.

  • Gezielter Einsatz von Flurbereinigungsverfahren aus Naturschutzgründen zur Umsetzung z.B. von:
    • Wiedervernässung, Erhöhung des Grundwasserspiegels (im Sinne einer Schwammlandschaft)
    • Sicherung naturschutzfachlich hochwertiger Biotope
    • Entschärfung von Nutzungskonflikten

Bei einem Flurbereinigungsverfahren werden Grundstücke („Fluren“) neu geordnet und zusammengelegt, um kleine, verstreute Flächen zu reduzieren. Hierdurch wird das Umsetzen von Maßnahmen erleichtert, da jeweils mit weniger GrundstückseigentümerInnen Rücksprache gehalten werden muss.

  1. Entwicklung von Maßnahmenkonzepten und Umsetzungsfahrplänen…

…für klimabetroffene und -relevante Lebensräume und Arten zu folgenden Themenfeldern:

  • konsequente Wiedervernässung und Renaturierung von Moor-Lebensräumen und weiterer Feuchtbiotope, Gewässer, Feucht- und Nassgrünland, Bruchwälder etc. inkl. der Wassereinzugsgebiete,
  • regelmäßige Entbuschung zur Förderung und Entwicklung von Offenlandbiotopen inklusive der offenen Moor-Lebensräume,
  • Aufbau eines wirksamen Biotopverbundes für klimasensible Lebensräume und Arten auch außerhalb der Schutzgebietskulisse,
  • Beseitigung / Zurückdrängen von Problemarten.
  1. Klimawandel als neue Aufgabe der Biologischen Stationen
  • Aufnahme des Aufgabenschwerpunktes „Biodiversitätsschutz im Rahmen des Klimawandels“ und hiermit verbunden intensivere Gebietsbetreuung sowie Monitoring klimarelevanter Lebensräume und Arten.
  • Schnelle Umsetzung von Maßnahmen zur Förderung klimasensibler Lebensräume und Arten z.B. durch die Erstellung von Umsetzungsfahrplänen für Maßnahmenkonzepte (Makos) und der Installierung von regelmäßigen Umsetzungsgesprächen.
  • Verstärkte Zusammenarbeit mit den relevanten Akteuren zum Thema Klimawandel (MUNV, MLV, LANUK, Landesbetrieb Wald und Holz NRW, Kommunen, BiodiversitätsberaterInnen der LWK, Wasserverbände, etc.).
  • Integration praktischer Landschaftspflege- und Artenschutzmaßnahmen in die Arbeits- und Maßnahmenpläne zur Förderung und zum Erhalt von Offenlandbiotopen und Gewässern.
  • Naturschutzfachliche Betreuung vernetzender Strukturen (Biotopverbund) außerhalb der Schutzgebietskulisse (Säume, Gräben, Trassen von Versorgungsleitungen etc.) zur Stärkung der natürlichen Klimaresilienz.

Entwickelt durch den AK Botanik in Abstimmung mit dem Dachverband Biologische Stationen in NRW e.V., Stand: 09.04.2025